dreadbox Artemis Test: Polyphoner Analogsynth

Mit dem Artemis schickt das griechische Unternehmen dreadbox wieder einen polyphonen Analogsynth ins Rennen. Und der ist richtig gut! Dabei überzeugt die intuitive Bedienung ebenso, wie die guten Sinevibes Effekte. Die Details erfahrt ihr im dreadbox Artemis Test. Doch zuerst gibt es ein Demovideo zur Einstimmung.
dreadbox Artemis Test auf einen Blick
- Analoger Polysynth mit 6 Stimmen
- Hervorragender Sound mit dreadbox-Charakter
- Umfangreiche Effektsektion von Sinevibes
- Robustes Desktopgehäuse mit direktem Zugriff auf alle relevanten Parameter
- MPE-fähig
Erster Eindruck – dreadbox Artemis
Gut verarbeitet im soliden Metallgehäuse – man kennt es bereits von dreadbox und auch der Artemis steht anderen Geräten in dieser Hinsicht in nichts nach. Die Potis haben ebenso wie die Fader einen angenehmen Widerstand, der sich wertig anfühlt, und auch nach Jahren sollten die Bedienelemente noch zuverlässig arbeiten. Das Display lässt sich auch bei starkem Lichteinfall gut ablesen. Allerdings wird die unterste Zeile gerne mal vom Gehäuse verdeckt, wenn man nicht direkt von oben auf den Synth guckt.
Neben dem Stereo-Ausgang auf der Rückseite gibt es noch einen Kopfhöreranschluss, sowie MIDI-Duo und eine USB-Buchse. Auf einen Audio-Eingang hat dreadbox beim Artemis verzichtet. Das ist schade, denn von den guten Effekten und Filtern hätten auch andere Geräte im Studio profitiert.
Oszillatoren
Der Artemis verfügt über zwei Oszillatoren, plus Suboszillator und Noise. Falls ihr schon einmal einen Typhon oder Murmux vor euch hattet, kennt ihr das Prinzip der überblendbaren Schwingungsformen. Beim Artemis ist es so gelöst, dass ihr in einem recht großzügigen Drehkreis für beide Oszillatoren gleichzeitig die Schwingungsform bestimmt.
Das ist in der Praxis zwar intuitiv gelöst, bringt aber auch ein paar Nachteile mit sich. VCO1 auf Sägezahn und VCO2 auf Pulse zu stellen ist so zum Beispiel nicht möglich. Umgekehrt wiederum geht es, allerdings spielt das spätestens dann eine Rolle, wenn ihr Sync oder FM fürs Sounddesign nutzen wollt.
Andererseits wird bei der VCO-FM auch das Signal des Suboszillators (oder Noise) berücksichtigt, wodurch ihr hier etwas mehr Spielraum habt. Aber auch hier hätte ich mir gewünscht, Noise und Suboszillator gleichzeitig abgreifen zu können und nicht alternativ hinzuzumischen. Das gleiche gilt auch für die Lautstärke der Oszillatoren, die über einen Regler (links = VCO 1 100%, Mitte = 50/50, rechts = VCO 2 100%) bestimmt wird.
Dadurch fehlt die Möglichkeit, die VCOs komplett zu deaktivieren. Wenn man also nur das Rauschen filtern möchte, oder Sinusleads mit der Selbstoszillation des Filters kreieren will, muss man die Pulswelle wählen und die Pulsweite extrem schmal setzen. Das wiederum wirkt sich aber auf die Möglichkeiten der Filter-FM aus.
Klanglich können die VCOs des Artemis hingegen voll überzeugen: Ein bauchiges Rechteck, das durchaus Roland-esque Züge annimmt, kräftige Sägezähne und eine fette PWM bilden hier eine ausgezeichnete Basis für die weitere Bearbeitung durch die Filter.
Filter
Artemis verfügt über ein Hochpass- und ein Tiefpassfilter, die seriell arbeiten. Die Flankensteilheit des Tiefpassfilters lässt sich zwischen 12 und 24dB umschalten, die Eckfrequenz in drei Stufen an die Tonhöhe koppeln (inaktiv, 50% und 100%). Damit ist es auch möglich, das Tiefpassfilter bei Selbstoszillation als Sinusoszillator zu nutzen.
Wie schon bei den anderen dreadbox-Synths zeichnet sich das Filter im Artemis durch einen cremigen Vintage-Sound aus und kann dabei trotzdem kräftig genug zupacken. Wer es etwas heftiger möchte, kann das Filter in mehreren Stufen in die Sättigung fahren. Hier hätte ich mir zwar gewünscht, die Dosierung feiner über eine dedizierte Lautstärkereglung der VCOs vorzunehmen. Aber auch so ist das ein akzeptabler Kompromiss – die Ergebnisse können sich hören lassen.
Modulationsmöglichkeiten
Für Automatisierungen gibt es im Artemis zwei LFOs und zwei Envelopes, sowie übers Menü die meisten gängigen MIDI-Controller wie Aftertouch, Velocity, Modwheel etc. Erwähnenswert ist der vorhandene MPE-Support, was sich glücklicherweise bei immer mehr Synths durchsetzt. Auf speziellere Modulationsquellen wie Rauschen, Komparatoren, oder eine freie Nutzung der ADSR-Hüllkurven muss man zu diesem Zeitpunkt noch verzichten.
Die Geschwindigkeiten der beiden LFOs lassen sich zwar an die MIDI-Clock koppeln, reichen im Freilauf aber nicht bis in den hörbaren Bereich. An Wellenformen gibt es hier alle Standards aber auch einen Envelope-Modus. Mit diesem lässt sich die Beschränkung der negativen Hüllkurven beim Lowpass umgehen. Allerdings ist man momentan noch auf die vorgegebenen Routings limitiert. Die sind aber bei genauer Betrachtung schon sehr umfangreich und decken viele Anwedungsszenarien ab, wenn man um die Ecke denkt.
Die beiden Hüllkurven folgen dem ADSR-Standard und sind ausreichend schnell für Bässe und Percussion, sowie langsam genug für Pads. Ich bin ein großer Fan von loopbaren Envelopes und würde mir diese Funktion auch in einem zukünftigen Update wünschen. Vielleicht geht da noch etwas.
Derzeit fehlt mir zudem noch die Möglichkeit, die Filter umfangreicher mit Modulationsquellen zu steuern. Vor allem vermisse ich, die Eckfrequenz des Hochpassfilters oder die LFO-Rate an die Tonhöhe zu koppeln, sowie eine negative Hüllkurvensteuerung der Filter. Viele der Funktionen werden auf Nachfrage bei dreadbox wohl aber in zukünftigen Updates nachgereicht.
Sinevibes-Effekte: Ein echtes Highlight des dreadbox Artemis
Integrierte Effekte bei Analogsynths sind immer wieder eine Glaubensfrage. Ich gehöre ganz klar zum Team „Pro-Effekte“. Denn wenn die Effekte gut sind – und evtl. noch moduliert werden können – bilden sie einen integralen Bestandteil der Klangerzeugung. Bei zeitgenössischer elektronischer Musik kommen ohnehin Effekte zum Einsatz, warum diese also nicht gleich perfekt auf den Synth abgestimmt mitliefern?
Für die Effektabteilung im dreadbox Artemis wurde wieder der Deveolper „Sinevibes“ an Bord geholt. Er steuerte bereits die guten Effekte im Typhon bei und hat auch beim Artemis wieder abgeliefert.
Insgesamt vier Effektslots stehen hier bereit: Overdrive (mit Shapern, Lofi etc), Modulation (Chorus, Flanger, Phaser), Delay (Tape, BBD, digital), und Reverb (Small, Large, Grain, Shimmer). Die Effekte klingen durch die Bank gut bis sehr gut, sollten aber vorsichtig dosiert sein, weil sie sonst den guten Grundsound stark überlagern. Bei richtigen Levels fügen sich die Effekte aber zu einer perfekten Melange mit dem Grundklang zusammen. So eine Harmonie sieht man selten bei internen Effekten.
Bei der großen Auswahl waren für mich lediglich ein paar der Shaper-Algorithmen nicht auf Höhe der restlichen Qualität, da mir die Ergebnisse etwas zu harsch bzw. fuzzy klangen. Auch das Shimmer-Reverb fand ich bei manchen externen Units etwas überzeugender, aber das ist sicherlich Geschmackssache. Schlecht klingt es definitiv nicht.
Alternativen zum dreadbox Artemis
Wer polyphonen dreadbox-Sound sucht, könnte mit dem dreadbox Nymphes Geld sparen, verzichtet dabei aber auch auf den deutlich direkteren Zugang, die guten Effekte und erweiterten Modulationsmöglichkeiten. Für mich kommt daher zurzeit vor allem eine Alternative infrage.
Novation Peak vs. dreadbox Artemis
Der Novation Peak kostet zwar knapp 200 € mehr, besitzt aber eine deutlich umfangreichere Modulationsabteilung und ebenfalls sehr gute Effekte. So eine Flexibilität will aber auch bedient werden und die Möglichkeiten im Peak könnten einige User auch überfordern.
Die Oszillatoren sind im Peak zudem digital ausgeführt und der Gesamtsound etwas cleaner. Beide Synths ergänzen sich vom Charakter aber und letztlich entscheidet hier der persönliche Geschmack.
dreadbox Artemis Test: Fazit
Mit dem dreadbox Artemis erscheint ein weiterer Polysynth auf dem Markt, der soliden Analogsound mit hervorragenden Effekten kombiniert. Und trotz des mittlerweilen stark umworbenen Markts liefert dreadbox, mit genug Eigenständigkeit im Sound und vor allem mit einer hervorragenden Bedienung, genügend Argumente, bestehendes Equipment zu ersetzen, oder den Fuhrpark entsprechend zu erweitern.
Zwar fehlen dem Artemis zu diesem Zeitpunkt noch umfangreiche Modulationsroutings. Aber ich bin mir sicher, dass dreadbox hier einerseits nachliefert, und die meisten User andererseits mit dem schon umfangreichen Angebot an Optionen sehr gut zurecht kommen dürften.