Roland S-1 Test: SH-101 im Miniaturformat?

Roland S-1 Test

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Voraussichtliche Lesedauer: 10 Minuten

Eigentlich dachte ich, dass Roland mit der Boutique-Serie alles erreicht hat, was Miniaturisierung betriff. Doch weit gefehlt: Denn mit „AIRA compact“ setzt das japanische Unternehmen die Mikroskopierung fort und stellt nun mit dem S-1 einen SH-101 Clone im Jackentaschenformat vor. Während mich der J-6 der gleichen Serie überhaupt nicht abgeholt hat, fand ich den Roland T-8 schon überzeugender. Wie sich nun der polyfone Synthesizer schlägt, erfahrt ihr im Roland S-1 Test. Aber wie immer gibt es vorab ein Demovideo.

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Roland S-1 Demovideo

Der Roland S-1 in Kürze erklärt

  • SH-101 inspirierter VA-Synth mit bis zu vierfacher Polyfonie
  • Erstellung eigener Schwingungsformen ist möglich
  • Umfangreicher 64-Step-Sequencer mit Parameter-Locks, Wahrscheinlichkeiten und Rolls
  • Interner Akku mit bis zu acht Stunden Laufzeit
Roland S-1 Test:

Roland S-1 Test: Erster Eindruck

Waren die Boutique-Synthesizer schon klein, sind die AIRA Compact Units nahezu winzig. Der weitere Größenverlust schlägt sich natürlich auch in der Bedienung nieder. Beim Roland S-1 werden die meisten Parameter über kleine Potiachsen bedient, die weniger präzise Eingaben erlauben als ihre normalgroßen Verwandten. Der Drehwiderstand ist dafür moderat, wenn gleich man das Gehäuse entweder von oben fixieren oder mit einer zweiten Hand beim Schrauben festhalten sollte. Denn der S-1 wiegt mit knapp 300g kaum etwas und so kann es schnell passieren, dass die Unit bei beherzten Sessions vom Tisch fliegt (Gruß geht an alle „Heiße-Poti-DJs“ da draußen).

Die Gummitaster des Menüs und Sequencers lassen sich angenehm drücken. Zwar vermitteln auch diese kein hochwertiges Gefühl, wirken aber auch nicht so, dass sie einem bei der nächstbesten Gelegenheit entgegenspringen.

TRS-MIDI Duo auf der Rückseite
TRS-MIDI Duo auf der Rückseite

Auf der Oberfläche finden sich zudem noch ein kryptisches 7-Segment-Display, Sync In/Out, Line-Ein- und Ausgänge, nebst Kopfhöreranschluss. Auf der Rückseite gibt es noch zwei TRS-MIDI-Buchsen und einen USB-C-Anschluss. Dieser stellt eine (MIDI-) Verbindung zu einem Computer her und versorgt das Gerät mit Spannung, wenn man auf den Batteriebetrieb verzichten möchte.

Roland S-1 Test: Die Klangerzeugung

Damit steigen wir direkt in die Klangerzeugung ein. Kurz gesagt findet man hier alles, was einen SH-101 auszeichnet. Der Roland S-1 geht aber – neben der vierfachen Polyfonie – an vielen Stellen noch ein gutes Stück weiter. Das ist vor allem in der Oszillatorsektion der Fall, wo man – etwas versteckt in Submenüs – Zugriff auf zusätzliche Parameter findet.

Roland S-1 Test:
Die Klangerzeugung des S-1: Die Zusatzfeatures verstecken sich in Menüs oder Tastenkombinationen

Die Oszillatorsektion

Der Roland S-1 bietet wie schon die Vorlage einen Oszillator mit den Schwingungsformen Sägezahn und Rechteck mit variabler Pulsbreite. Dazu kann man sowohl Noise als auch einen Suboszillator (-1 Okt, -2 Okt Rechteck / schmaler Pulse) hinzumischen. Der Oszillator klingt wirklich gut und erzeugt einen obertonreichen Sägezahn ebenso wie das typisch bauchige Rechteckelement, für das der SH-101 so bekannt ist.

Bei der Pulsbreitenmodulation mit der Hüllkurve empfand ich das Original – und auch den SH-01a – etwas runder bzw. weicher im Klang; vor allem in extremeren Settings. Hier geht es aber wirklich um Nuancen. Eine angenehme Abweichung zum Original findet sich beim Rauschen. Denn dieses steht beim S-1 sowohl als pinke als auch weiße Variante zur Verfügung.

Draw und Chop

Falls der Oszillatorsound irgendwann zu langweilig wird, hat man mit Draw und Chop die Möglichkeit, diesen weiter zu formen. Anstatt der Pulswelle startet man bei Draw mit einem Dreick und wählt über die sechzehn Steptaster einzelne Segmente aus. Mit dem Value-Regler kann man diese nun einzeln betonen oder absenken. Dadurch entstehen neue Schwingungsformen, die mehr oder weniger Bass haben können, oder stark ins Metallische neigen. Final bestimmt man nun, ob die einzelnen Elemente fließend ineinander übergehen (Slope) oder stufenartig von einem Segment zum nächsten springen. Letzteres ist optimal für die Chiptunes-Fraktion, da sich hiermit schnell typische Bitcrusher-Effekte erzielen lassen.

Roland S-1 Test: OSC DRAW
Mit OSC Draw können eigene Schwingungsformen kreiert werden.

Zusätzlich lässt dich die Schwingungsform mit Multiply weiterbearbeiten, was klanglich der Oszillatorsynchronisation entspricht. Da sich Änderungen dieses Parameters per Motion-Recording aufzeichnen lassen, ist das eine sinnvolle Erweiterung der Originalausstattung.

OSC Chop

Ähnlich wie mit Draw kann man mit OSC Chop die Schwingungsformen editieren. Im Gegensatz zu Draw steht diese Funktion aber für alle Oszillatoren bereit, inklusive Suboszillator und Noise. Durch Einsatz von Chop werden einerseits die Obertöne der Schwingungsform betont. Gleichzeitig kann man durch gezieltes „Heraustrennen“ einzelner Segmente einer Schwingungsform deren Klangcharakter verändern.

Roland S-1 Test: Abbildung, was bei CHOP passiert
CHOP auf Rechteck und Sägezahn angewendet

Abschließend kann man mit dem Parameter Comb die Wiederholungen dieser „Einschnitte“ erhöhen. Mit zunehmender Intensität wird der Klang dabei immer metallischer und gleitet bei höheren gespielten Noten mitunter ins Geräuschhafte ab.

Das Filter

Auch das Filter ist dem SH-101 nachempfunden und daher als 24dB Tiefpass ausgelegt, dessen Resonanz bis in die Selbstoszillation reicht. Kurzum: Das Filter klingt richtig gut und liefert von punchigen Bässen bis hin zu sauber trackendem Sinus das komplette Spektrum. Wie beim Original verliert es mit zunehmender Resonanz an Bass, erzeugt dann gleichzeitig aber herrlich zwitschernde Acid-Lines.

Hüllkurve, LFO und andere Modulationsquellen des S-1

Als Modulationsquellen gibt es neben einer ADSR-Hüllkurve (für AMP und Filter) und einem LFO mit sechs Schwingungsformen noch Velocity, Modwheel, sowie D-Motion. Letzteres ist ein Gyroskop, was X/Y Bewegungen der Unit in Controller-Daten umsetzt. Das ist ein nettes Gimmick, aber wirklich sinnvoll eingesetzt habe ich es noch nie.

Die ADSR-Hüllkurve liefert von schnellen Percussion-Sounds bis hin zu ausladenden Pads ein breites Spektrum, das immer musikalisch klingt. Der LFO kann optional in den Fast-Modus versetzt werden und bis in den hörbaren Bereich schwingen. Wer jetzt an die Nova Mod denkt, wird allerdings enttäuscht sein: Ganz so schnell wie bei der SH-101-Modifikation wird es hier nicht. Dafür läuft der LFO im S-1 optional auch Beat-synchron und kann per Tastenanschlag zurückgesetzt werden.

Roland S-1 Test
Roland S-1: Inspiriert vom SH-101

Effekte

Zur Abrundung gibt es eine Effektabteilung mit Delay, Reverb und Chorus. Alle Varianten klingen absolut okay, ersetzen qualitativ aber keine spezialisierten Outboard-Effekte. Während das Delay in Richtung Analogdelay geht, finden sich sowohl für Reverb als auch Chorus unterschiedliche Varianten. Praktisch ist, dass man den Effekten Lo- und Hi-Cut spendiert hat. Das beugt unerwünschtem Frequenzmüll vor und erspart einem unterwegs weiteres Equipment.

Der Sequencer des Roland S-1

Zusätzlich verfügt der Roland S-1 über einen flexiblen Sequencer mit bis zu 64-Steps, die in unterschiedlichen Taktarten und mit frei definierbarem Shuffle wiedergegeben werden. Hinzu kommen Trigger-Wahrscheinlichkeiten pro Step, unterschiedliche Roll-Muster für die typischen PsyTrance-Stutter-Noten und die Möglichkeit, Reglerbewegungen aufzuzeichnen. Da der S-1 polyfon ist, beherrscht auch der Sequencer Akkorde. Wer hingegen typische Acid-Lines bevorzugt, kann diese mit Slide und (Auto-) Portamento authentisch aufbauen.

Roland S-1 Test: Die Sequencerebene
Der Sequencer des S-1 ist flexibler als vermutet

Etwas schade fand ich nur, dass man nicht wie beim Original die Steps nacheinander eingeben kann und der Sequencer dann immer einen Schritt weiterspringt. Diese Programmierung empfand ich immer als inspirierend, umso mehr habe ich sie beim S-1 vermisst.

Alternativ steht übrigens auch ein Arpeggiator zur Verfügung. Im direkten Vergleich mit dem umfangreichen Sequencer kommt dieser allerdings etwas rudimentärer daher. Denn hier gibt es vor allem die Standards (Up/Down etc.), wenngleich das für viele Anwendungen durchaus ausreichen sollte.

Roland S-1 Test: Schraegansicht

Roland S-1 Test: Fazit

Für knapp 200 € bietet der S-1 ein gelungenes Gesamtpaket: Guter Sound, zahlreiche Features, ein umfangreicher Sequencer und Gimmicks wie Akkubetrieb und Gyroskop. Nur die Größe ist schon hart an der Schmerzgrenze. Dafür kann man den Roland S-1 problemlos mitnehmen und selbst in vollgestopften Live-Koffern dürfte der Polysynth noch Platz finden. Zur Not eben in der Jackentasche.

Unter ultrapuristischem Maßstab im Direktvergleich mit dem Original wäre mir der S-1 nicht akkurat genug. Selbst wenn es nur der Unterschied wäre, den man aufgrund der Haptik wahrnimmt. Der originale SH-101 Klang wirkt auf mich aber noch etwas weicher, tiefer. Und das ist etwas, das auch der SH-01a wiederum besser kann als der S-1. Und dieser wäre wiederum meine Empfehlung für alle, die unterwegs nicht das Original mitnehmen oder sich kein gebrauchtes Gerät leisten wollen.

Allen anderen sei der S-1 auf jeden Fall ans Herz gelegt. Hier bekommt man viel Synth und guten Sound zu einem überschaubaren Preis. Und selbst als Zweit-101 macht der S-1 eine gute Figur: ein etwas anderer Grundcharakter, dazu interessante Sequencer-Features und erweiterte Synthesemöglichkeiten.

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