Sequential OB-6 Test: Polyphoner Oberheim Analogsynth

Sequential OB-6 Test

Voraussichtliche Lesedauer: 11 Minuten

Mit dem OB-6 entstand aus einer Partnerschaft zwischen Dave Smith und Tom Oberheim ein sechsstimmiger Analogsynth, der vom legendären Oberheim SEM inspiriert wurde. Wie gut sich der Polyphone im Studiobetrieb schlägt, erfahrt ihr im Sequential OB-6 Test. Doch als erstes gibt es ein Demovideo, das Patches aus dem Sequential OB-6 Soundpack „Ergosphere“ zeigt.

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Sequential OB-6 Demovideo

Sequential OB-6 Test: Erster Eindruck

Einmal ausgepackt, fällt gleich das recht hohe Gewicht der Modulversion auf, die ich für den Sequential OB-6 Test vor mir habe. Das ist erstmal nichts schlimmes, aber für Künstler, die den Synth häufig transportieren müssen schon eine Ansage. Dafür vermittelt der OB-6 einen durch und durch hochwertigen Eindruck.

Auch die Breite von knapp 52 cm überraschte mich. Leider überschreitet der OB-6 um ein paar Zentimeter den 19″-Rackstandard, was ich ehrlich gesagt ziemlich bedauerlich finde. Zumal dem OB-6 nur wenige Zentimeter fehlen würden, damit es in ein Standard-19″Rack passt. Von der Seite oder von Vorne betrachtet wirkt der OB-6 daher erstmal recht klobig; man könnte hier das Attribut „vintage“ als Euphemismus wagen.

Sobal man sich aber dem Bedienfeld widmet geht die Sonne auf. Das Design ist an legendäre Vorgänger aus der Firmenhistorie angelehnt. Die Drehregler erzeugen einen angenehmen Widerstand, dessen Intensität im Vergleich mit anderen Synths schon im oberen Viertel liegt.

Besonders gefreut habe ich mich über die Taster, die einige vielleicht noch von dem ein oder anderen 80er-Synth kennt. Mit einem angenehmen Klick geben sie ein optimales akustisches Feedback. Integrierte LEDs zeigen den Betriebszustand an. Überhaupt ist es wieder einmal schön zu sehen, wie ein recht umfangreich ausgestatteter Synthesizer dank durchdachtem Interface hervorragend bedienbar bleibt. Und das trotz fehlendem Display und Submenüs!

Oszillatoren

Als Grundlage für Klänge bietet der Sequential OB-6 zwei Oszillatoren, sowie Noise und Suboszillator. Oszillator 1 bietet ebenso wie Oszillator 2 Sägezahn und Rechteck mit variabler Pulsbreite. Zusätzlich dazu findet sich im zweiten Oszillator noch Dreieck.

In beiden Oszillatoren lassen sich die die Schwingungsformen nahtlos überblenden, was bei beiden manuell erfolgt. Alternativ lässt sich die Schwingungsform des ersten Oszillators auch als Modulationsziel über die (überschaubare) Modulationsmatrix anwählen und via Oszillator 2 oder die Filterhüllkurve morphen, was die Klangpalette noch einmal ordentlich erweitert.

Oszillator 2 lässt sich von der Tonhöhe entkoppeln und zudem in einen Low-Frequency-Modus umschalten. Dadurch erhält man bei Bedarf einen zweiten LFO, denn OSC 2 findet sich in der überschaubaren Modulationsmatrix ebenfalls als Modulationsquelle.

Oberheim OB-6 Test VCO-Sektion und Mixer
VCO-Sektion und Mixer des OB-6

Für typisch schneidende Leads verfügt der Sequential OB-6 über Oszillator Sync. Im Vergleich zu anderen Synthesizern klingt Sync beim OB-6 glücklicherweise nicht ganz so Prog-Rock-aggressiv und lässt sich dadurch vielseitiger einsetzen. Wer es brutaler mag, kann Cross-Modulation für die Oszillatoren aktivieren und erhält hier ein klanglich recht aggressives Brett, das auch Industrial-Techno-Fans begeistern dürfte.

Um richtig fette Sounds zu erzeugen gibt es beim OB-6 verschiedene Ansätze. Einerseits kann man alle sechs Stimmen per Unisono aktivieren und frei gegeneinander verstimmen. Zusammen mit dem sehr effektiven Spread-Regler entstehen dadurch unheimlich breite, fette Bässe und Leads.

Andererseits gibt es dann noch einen Suboszillator, der ausgehend von der Tonhöhe des ersten Oszillators ein Rechteck erzeugt und eine Oktave unter dessen Frequenz liegt. Die Intenstität des Suboszillaotrs bestimmt man mit dem Lautstärkeregler in der Mixersektion. Hier regelt man auch den Noise-Anteil, sowie die Lautstärken für beide Oszillatoren.

Aufwärmphase beachten!

Eins muss man beim OB-6 klar erwähnen: Der Synthesizer braucht mindestens 10-15 Minuten Aufwärmphase, damit er in Tune ist. Das ist zwar bei vielen Vintagesynthesizern nicht ungewöhnlich. Aber für jemanden, der erstmals mit einem Analogsynth arbeitet dürfte es anfangs etwas eigenartig erscheinen.

Zusätzlich empfiehlt Sequential, den OB-6 in regelmäßigen Abständen auf den Raum hin zu kalibrieren, in dem der Synthesizer steht. Das automatische Tuning soll dadurch deutlich akkurater geschehen. In der gut dokumentierten Bedienungsanleitung ist dieser Prozess umfangreich beschrieben. Allerdings konnte ich trotz der Anpassung an meinen Raum keine großen Änderungen hinsichtlich des Tuningverhaltens feststellen. Eventuell entsprach mein Raumklima aber auch bereits der Werksumgebung.

Filter

Sequential setzt beim OB-6 auf das 12 dB Multimodefilter aus dem SEM. Dieses flexible Variable State Filter bietet die Modi Tiefpass, Bandpass, Hochpass und Notch. Zudem lässt sich frei von Tiefpass über Bandpass zu Highpass morphen. Diese Überblendung lässt sich als Modulationsziel auswählen, was besonders für Pads aber auch Effektsounds spannend sein kann.

Sequential OB-6 Test: Filter
Das Multimodefilter im OB-6 basiert auf dem legendären SEM

Das Filter klingt extrem musikalisch: Im Gegensatz beispielsweise zu einer Moogkaskade behält es auch bei hohen Resonanzwerten den Bassanteil. Bei nur leicht geschlossenem Tiefpassfilter oder entsprechenden Settings im Bandpass erzeugt die Resonanz einen sehr edlen Glanz in den Höhen, den man bei anderen Filtern vergeblich sucht. Richtig extrem will ein SEM-Filter allerdings nie klingen. Für solche Sounds muss man schon andere Wege gehen und etwa Filter FM oder Cross Modulation nutzen.

Hüllkurven und LFO

Da wir gerade dabei sind: Zur Modulation bietet der Sequential OB-6 neben der Hüllkurve für VCA und VCF – beide in ihrer Intensität per Velocity steuerbar – einen LFO mit klassischen Schwingungsformen (Dreieck, Pulse, Sägezahn, S&H), sowie LFO2 und Aftertouch.

Sequential OB-6 Test: Modmatrix und LFO
Sequential OB-6 Modmatrix und LFO

Die ADSR-Hüllkurven gehören sicherlich nicht zu den schnellsten Vertretern ihrer Art,. Für perkussive Klänge und zackige Bässe haben sie aber immer noch genügend Punch. Ebenso sollte man vom LFO keine FM-Orgien erwarten. Die Frequenz reicht hier zwar bis in den hörbaren Bereich. Für FM- oder AM-Klänge sollte man dann aber doch eher den zweiten Oszillator über die Modulationsmatrix zuweisen.

Die Verknüpfung von Modulationsquellen- und zielen geschieht in einer überschaubaren Matrix. Als Quelle stehen die Filterhüllkurve und Oszillator zwei zur Verfügung. Als Ziele vor allem die Filterparameter, sowie Frequenz, Pulsbreite und Shape von Oszillator 1. Die Modulationsintensität lässt sich pro Quelle nur global auf alle aktivierten Ziele festlegen. Es ist also nicht möglich, zum Beispiel die Filterhüllkurve auf die Tonhöhe von Oszillator 1 zu routen, während Oszillator 2 ausschließlich die Pulsbreite moduliert. Es geschieht immer gleichzeitig, es sei denn, man setzt die Modulationsintensität auf Null.

Hier wurde meiner Meinung nach ein ziemliches Potential liegen gelassen. Sicherlich erhält man bereits mit dem Gebotenen eine Menge Möglichkeiten. Oberheim hat in der Vergangenheit aber mit Xpander und Matrix selbst die Messlatte für Modulationsmöglichkeiten hoch angelegt. Hier hätte ich mir in 2021 echt mehr gewünscht, zumal wir uns beim OB-6 im oberen Preissegment bewegen.

Arp & Sequencer

Für automatisierte Melodien stattete Sequential den OB-6 mit einem Arpeggiator und einem polyphonen Step Sequencer aus. Der Arpeggiator ist sehr sporadisch und bietet neben klassischen Rauf / Runter / Random / Played nichts weiter: Keine spannenden Rhythmen, keine eigenen Patterns. Lediglich die Oktavierung sowie Timing Division lassen sich einstellen. Auch hier verweise ich wieder auf die Mitbewerber, die das seit Jahr(zehnt)en deutlich besser machen und ziehe für den OB-6 wieder das Attribut „Vintage“ heran, um meine Entäuschung in einen Euphemismus zu verpacken.

Sequential OB-6 Test: Sequencer und Arpeggiator
Sequencer und Arpeggiator sind eher rudimentär ausgeführt

Dafür ist der Sequencer etwas besser gelungen. Aber eigentlich auch nur, weil man diesen polyphon mit bis zu 64 Steps inklusive Pausen und Glides programmieren kann. Die Programmierung geht relativ simpel im Stepmodus, wobei ich immer wieder darüber gestolpert bin, dass auch „0“ bereits ein Step ist. Ganz nett gelöst finde ich, dass man bei laufendem Sequencer weitere Noten spielen kann.

Vintage-Mode, Detune / Pan Spread

Falls ihr diese analogen Leierpads und verstimmten Leads von Künsltern wie Boards of Canada, Tycho etc. mögt, solltet ihr euch den Vintage-Mode mal näher ansehen. Denn über den Detune-Regler wird der Grad der Verstimmung der einzelnen Oszillatoren zueinander festgelegt. Je weiter ihr den Regler aufdreht, umso krummer das Ergebnis.

Zusätzlich gibt es in dieser Sektion mit Pan Spread einen weiteren Regler, der süchtig machen kann. Dadurch verteilt ihr die einzelnen Stimmen im Stereopanorama was zu extrem breiten Pads und Streichern führt, aber auch bei Unisono-Leads krasse Ergebnisse liefert.

Effektsektion

Die Effektsektion des OB-6 ist für mich eher ein nettes Add-On. Die Effekte klingen ok bis gut, wobei ich bei nahezu allen Varianten im Endeffekt eher zu einem spezialisierten externen Effektgerät greifen würde. Gemessen am Gesamtklang – und dem Preis des OB-6 – ist das Ergebnis dann doch eher enttäuschend. Dass es besser geht, haben Hersteller wie Novation mit dem Peak oder Elektron bereits bewiesen. Zumal sich die Effekte bei anderen Herstellern deutlich umfangreicher bearbeiten lassen, während man sich hier auf die absoluten Basic-Parameter wie Dry / Wet, Delay-Zeit usw. beschränkt.

Sequential OB-6 Test: Effektsektion
Sequential OB-6 Effektsektion

Und so würde ich die Effektsektion eher als praktische Zugabe für Live-Performer sehen. Immerhin erspart man sich unterwegs dadurch ein Standardeffektgerät. Für den Studioeinsatz gibt es wesentlich bessere Alternativen.

Nüchtern zusammengefasst bietet die duale Effekteinheit des OB-6 neben Hall und Room zwei verschiedene Delay-Algorithmen (BBD und Digital) und Modulationseffekte. Ein recht guter Phaser sowie ein spannenderer Ringmodulator runden diese Sektion ab. Bei letzterem lässt sich der interne Oszillator an die Tonhöhe koppeln, was das klangliche Spektrum noch einmal aufbohrt. Aber wie gesagt: An der Effektsektion sollte man den OB-6 nicht messen.

Sequential OB-6 Test: Fazit

Als überzeugter Fan des Oberheim SEM-Sounds hatte ich große Erwartungen an den Synth. Und die hat der Sequential OB-6 auf ganzer Linie erfüllt. Der OB-6 bringt diesen wahnsinnig vollen und lebendigen Oberheim-Sound der Legenden. Trotz umfangreicher Möglichkeiten muss man beim OB-6 allerdings auch Abstriche bei der Flexibilität machen.

Jetzt mag man vielleicht einwenden, dass das Konzept eher „vintage“ ist – und unter diesem Blickwinkel weiß der OB-6 zu überzeugen. Wenn ich mir aber gleichzeitig den deutlich älteren Matrix 1000 ansehe, hätte ich mir schon eine ähnlich flexible Modulationsmatrix gewünscht. Immerhin ist der Matrix 1000 / 6R mittlerweile über 30 Jahre alt.

Und so bleibt am Ende für mich festzuhalten: Im Sequential OB-6 Test schneidet der Synth klanglich als einer der besten polyphonen Analogsynthesizer ab, die es derzeit auf dem Markt gibt. Bässe, Leads, Pads: Der Synth beherrscht alles in Bestform. Der Klang setzt sich erfrischend von Moog oder Roland ab und bringt eine ganz eigene Note ins Studio. Allerdings wäre sicherlich noch mehr Felixibilität drin gewesen. So hätte man auch nerdige Sounddesigner mit überzogenen Ansprüchen vollends glücklich gemacht.

8.3 TOTAL SCORE

Sound 10
Features 7
Bedienung 9
Preis/Leistung 7
PROS
  • Breiter und organischer Analogsound
  • Intuitive Bedienung
CONS
  • Modulationsmöglichkeiten könnten umfangreicher sein
  • Effekte mittelmäßig

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