FM Synthese einfach erklärt: Tutorial für Anfänger
Voraussichtliche Lesedauer: 12 Minuten
FM Synths sind verantwortlich für unzählige furchtbare Glöckchen-Sounds in 80er-Weihnachtsliedern und nicht weniger nervige FM-Pianos in US-Sitcoms. Aber in dieser Synthese stecken auch exzellente Bässe, aggressive Leads, treibende Dub Chords, oder schwebende Texturen: perfekt für elektronische Musik! Allerdings haftet FM Synthesizern nach wie vor der Ruf an, kompliziert zu sein, weshalb viele einen Bogen um diese spannende Syntheseform machen. Sicherlich ist die klassische analoge (subtraktive) Klangsynthese intuitiver begreifbar. Trotzdem ist auch FM Synthese keine Raketenwissenschaft, wenn man ein paar einfache Dinge begriffen hat. Dieser Artikel soll dabei helfen.
Inhaltsverzeichnis
Die Basis von allem: Der Operator
Die Basis jedes Sounds und gleichzeitig einer der wichtigsten Begriffe in der FM Synthese ist der Operator. Hierbei handelt es sich um einen Oszillator, der traditionell meistens als Sinusschwingung vorhanden ist. Mittlerweile gibt es etliche FM-Synths, die bei den Operatoren auch andere Schwingungsformen bereitstellen und dadurch drastischere klangliche Ergebnisse liefern.
Ein Operator kann dabei Carrier oder Modulator sein, manchmal sogar beides gleichzeitig, je nach gewähltem Algorithmus. Zum Algorithmus komme ich später im Artikel, gucken wir uns erst einmal den Unterschied zwischen Carrier und Modulator an.
Carrier und Modulator
Hinter den etwas sperrigen Begriffen verbirgt sich eigentlich keine große Magie. Vereinfacht gesagt, gibt der Carrier in der FM Synthese den Sound aus – er „trägt“ ihn an den Audioausgang. Demgegenüber steht der Modulator, mit dem man den Klangfarbe des Carriers verändert, in dem er dessen Frequenz moduliert. Das Frequenzverhältnis der beiden zueinander bestimmt schließlich die daraus entstehende Wellenform.
Hält man sich an ganzzahlige Frequenzverhältnisse, also 2:1, 4:1, 8:2 usw., bleiben die Ergebnisse im harmonischen Rahmen. Es klingt also meistens aufgeräumter, aber unter Umständen auch langweiliger.
Spannend wird es, wenn man auch nicht-ganzzahlige Werte nimmt, zum Beispiel „2.24 :1“ etc. Hier betritt man ein klangliches Spektrum, das auch disharmonische Obertöne hervorbringt, ähnlich den Ergebnissen bei Ringmodulation.
Will man wie bei analogen Synthesizern leichte Schwebungen erzeugen, gibt es bei vielen traditionellen FM Synthesizern hierfür den sogenannten „Tune“-Regler. Im Gegensatz zur Bezeichnung bei analogen Synths wirkt sich dieser nur auf ein sehr feines Stimmungsintervall aus. Dadurch sind die leichten Schwebungen deutlich feiner dosierbar. Ganz so, als würde man versuchen ein ähnliches Ergebnis mit dem „Fine“-Regler zu erzielen.
Wie ändert man den Sound mit der FM Synthese?
Bei der FM-Synthese bestimmen zwei Faktoren die Intensität der Klangveränderung: Einerseits die Lautstärke des Modulators, andererseits dessen Frequenz. Je höher die Lautstärke des Modulators ist, umso stärker ist die Modulationsintensität, und umso deutlich sind klangliche Unterschiede auszumachen.
Den Lautstärkeregler des Modulators kann man sich wie einen Cutoffregler eines Tiefpassfilters vorstellen. Je weiter wie die Lautstärke des Modulators erhöhen, umso heller wird der Klang. Wenn man die Lautstärkeänderung des Modulators nun noch mit einer Hüllkurve moduliert, kann man den Sound ähnlich wie mit einer VCF-Hüllkurve formen.
Die Hüllkurven
Neben den Operatoren spielen die Hüllkurven bei traditionellen FM Synthesizern eine entscheidende Rolle. Jeder Operator besitzt seine eigene (Multisegment-)Hüllkurve, die grundsätzlich die Lautstärke des Operators steuert.
Je nach dem, ob es sich beim Operator um einen Carrier oder um einen Modulator handelt, übernimmt die Hüllkurve aber klanglich zwei unterschiedliche Aufgaben: Bei einem Carrier kümmert sich die Hüllkurve um die Lautstärke des hörbaren Ausgangsignals, ähnlich einer VCA-Hüllkurve im analogen Synthesizer.
Bei einem Modulator steuert die Hüllkurve ebenfalls die Lautstärke, allerdings wird der Modulator ja nur im Signalpfad hörbar, wenn er neben seiner Hauptaufgabe als Modulator auch noch Carrier ist (z.B. im Fall von Feedback). Normalerweise bestimmt man mit der Lautstärkehüllkurve des Modulators aber die Intensität der Fequenzmodulation im Zeitverlauf. Wir erinnern uns: Je lauter der Modulator, umso stärker die Modulation des Carriers, und umso obertonreicher der Sound.
Unterschiede zur klassischen Hüllkurve in der subtraktiven Synthese
Hüllkurven bei klassischen FM-Synthesizern unterscheiden sich häufig von ihren subtraktiven Pendants mit den typischen ADSR-Phasen. (Anm.: Mittlerweile setzen auch viele aktuelle FM-Synths wie der Korg opsix auf den klassischen ADSR-Hüllkurvenverlauf).
Das ist schade, denn die Multisegment-Variante – zum Beispiel bei vielen DX-Synths – bietet einige Vorteile, wenn man erstmal verstanden hat, die einzelnen Segmente zu nutzen.
Ein wesentlicher Unterschied ist, dass die Level für einzelne Segmente frei definierbar sind. Startet die Attackphase einer klassischen ADSR-Hüllkurve immer im Nullpunkt, kann der Attack-Startpunkt etwa bei einer FM-Hüllkurve irgendwo zwischen 0 und 127 liegen.
Gleiches gilt für die darauf folgenden Segmente: Das zweite Segment (bei ADSR ist das Decay) muss nicht zwingend im Maximum liegen. In der Praxis ergibt sich daraus, dass man noch tiefer ins Klanggeschehen eingreifen kann. Verfügt der FM-Synth dann noch über die Möglichkeit, pro Segment zwischen linearem und exponentiellem Verlauf umzuschalten, kann der Klang sehr exakt eingestellt werden.
Hüllkurven-Scaling
Hinzu kommt, dass man bei vielen FM-Synths die Hüllkurvengeschwindigkeit noch an die Tonhöhe koppeln kann (Scaling). Je höhere Noten man spielt, umso schneller durchläuft die Hüllkurve dabei ihre Segmente.
Dieses Verhalten ist akustischen Instrumenten nachempfunden, die bei höheren Tönen schneller ausklingen. Wie etwa bei einem Klavier, bei dem höher gespielte Noten deutlich kürzer ausklingen als in den tiefen Lagen.
Manche FM Synths bieten zudem die Möglichkeit, dieses Verhalten umzukehren. Tiefere Noten erklingen dann kürzer als höher gespielte Noten. Zudem können häufig noch Splitpunkte auf der Klaviatur bestimmt werden, die dieses Scaling einzelnen Bereichen zuordnet.
Die Hüllkurven in Oktave C0-C1 wären dann zum Beispiel schnell und exponentiell, C1 – C2 eher langsam und linear usw. Mit geschicktem Sounddesign könnte man also einen Sound in perkussive Elemente links auf der Tastatur und Pads im Notenbereich rechts vom Split aufteilen.
Algorithmen in der FM Synthese
Womit wir direkt zum nächsten Punkt kommen – den Algorithmen. Der Begriff klingt erstmal furchtbar kompliziert. Er meint aber nichts anderes, als die Beziehung der einzelnen Operatoren zueinander.
Bei den FM-Algorithmen muss man sich vor allem vier Dingemerken:
- Der Algorithmus legt fest, ob ein Operator ein Modulator oder ein Carrier ist.
- Der Algorithmus bestimmt, zwischen welchen Operatoren eine Modulation stattfindet.
- Der Algorithmus gibt den Feedback-Pfad vor, also welche Operator sich selbst moduliert (und dadurch auch Sägezahn oder Rechteck generieren kann)
- Über den Algorithmus legt man schließlich ebenfalls fest, welcher Operator am Audioausgang anliegt und somit am Ende hörbar ist.
Die Algorithmen unterscheiden sich bei vielen FM-Synthesizer voneinander. Einige, wie zum Beispiel der Korg Opsix oder der Sonicware LIVEN XFM, erlauben sogar die völlig freie Verschaltung der einzelnen Operatoren.
In der Regel kommt man mit den klassischen DX-7 Algorithmen schon recht weit. Möchte man aber zum Beispiel eine spezielle Verschaltung eines anderen FM-Synths nachbauen, ist die Möglichkeit der freien Verschaltung schon ziemlich praktisch.
Wie wähle ich den geeigneten FM-Algorithmus aus?
Das dürfte nun die schwierigste Frage in der ganzen FM-Synthese sein. Denn hier sollte man sich vor dem Sounddesign einigermaßen Gedanken machen, welcher Sound am Ende entstehen soll. Das verlangt eine gewisse Vorkenntnis, ist aber im Prinzip recht schnell erlernt. Wenn ihr noch gar keine Erfahrung in dieser Richtung habt, empfehle ich erstmal, mit einem einfachen Bass-Sound zu starten.
Beispiel 1: Bass-Sound mit FM-Synthese erstellen – Welcher Algorithmus?
Bei simplen FM Bässen reicht meistens ein Algorithmus, bei dem ein Operator den anderen moduliert. Als Intervall empfiehlt sich ein harmonisches Verhältnis von 1:2, 0.5:2, 2:0.5 usw. Nun zieht ihr die Lautstärke des Modulators langsam hoch und stellt die Hüllkurve auf einen perkussiven Verlauf ein. Also so, dass die Hüllkurve für die Modulatorlautstärke nach einer relativ kurzen Zeit bei einem niedrigen Wert (oder 0) angelangt ist.
Die weiteren Operatoren könnt ihr deaktivieren, oder für leichte Schwebungen und harmonisch sinnvolle Intervalle hinzumischen. Das gibt bereits die nötige Struktur für den Algorithmus vor, der …
- a) mindestens eine Verschaltung von Carrier und Modulator vorweisen muss.
- b) mehrere Carrier am Ausgang haben sollte, falls ihr Verstimmungen oder harmonische Intervalle benötigt
Beispiel 2: Analoge Pads mit FM-Synthese – Welcher Algorithmus?
Mit FM gelingen ebenfalls hervorragende Pad-Sounds. Wie immer, ist der hier vorgestellte Ansatz nur einer von vielen. Für zukünftige Pad-Varianten könnt ihr aber immer auf diese Blaupause zurückgehen.
Bei Pad-Sounds mit analogem Flair ist es wichtig, Schwebungen in den Sound zu bekommen. Dazu könnt ihr zwei Carrier nehmen, die Lautstärke bei beiden aufziehen, und beide im Anschluss minimal gegeneinander zu verstimmen.
Damit das nicht nur nach einer Orgel klingt, wählt ihr jetzt einen Algorithmus aus, der auch Modulatoren für eure Carrier bereitstellt. Mithilfe dieser Modulatoren und Feedback könnt ihr dann den Obertongehalt eurer Carrier variieren und mit den jeweiligen Hüllkurven der einzelnen Elemente den Klang nach Belieben formen. Denkt daran: Je lauter der Modulator ist, umso „härter“ klingt der Sound.
Tastet euch erstmal langsam heran und wählt simple Algorithmen aus, in denen jeweils maximal ein Modulator einen Carrier beeinflusst. Bei den meisten FM Synths könnt ihr zudem einzelne Operatoren an- oder ausschalten. Das ist gut, um die Struktur eines Sounds besser zu verstehen.
Geräuschhaftes hinzufügen
Gerade komplexere FM-Klänge verbinden mehrere Elemente im gleichen Algorithmus miteinander. Ein Strang des Algorithmus ist dann ausschließlich dafür zuständig, dem Sound ein perkussives Element am Anfang mitzugeben, etwa dem ersten Impuls einer Bassdrum, oder um den Moment nachzubilden, wenn eine Pianosaite von dem Hammer getroffen wird.
Diese perkussiven Elementen haben häufig keine klar definierte Tonhöhe, weswegen wir hier anders vorgehen:
Damit das perkussive Element über den kompletten Notenumfang identisch bleibt, müssen wir den Operator von der Tonhöhe entkoppeln. Das erledigt man einfach, indem man die Frequenz des Operators auf „fixed“ stellt. Nun bleibt die Tonhöhe dieses Operators immer gleich, egal, welche Note wir auf der Tastatur spielen.
Als nächstes modulieren wir diesen Carrier mit einem Modulator, dessen Frequenz wir ebenfalls auf „fixed“ stellen und setzen dessen Lautstärke auf das Maximum. Mit dem Coarse-Regler suchen wir dann nach dem perfekten Frequenzverhältnis. Damit wir keinen nervigen Dauerton erhalten, sondern wirklich nur den Impuls für den Anfang unseres Sounds, müssen wir nun noch die Hüllkurvenzeiten entsprechend kurz einstellen.
Wenn ihr den Klang noch mehr in Richtung „Rauschen“ formen wollt, solltet ihr einen Algorithmus wählen, der euch die Feedback-Möglichkeit für den Modulator im perkussiven Strang gibt. Je weiter ihr hier den Feedbackwert aufreißt, umso mehr erinnert das klangliche Ergebnis an Rauschen.