Sonicware LIVEN Mega Synthesis Test: Chiptunes Groovebox
Chiptunes-Fans haben Sonicware wahrscheinlich schon länger auf dem Radar. Vor einigen Jahren stellte das japanische Unternehmen mit dem LIVEN 8bit warps einen Synthesizer vor, der das Genre bereits im Namen trägt. Es folgten weitere LIVEN-Modelle, die von LoFi-Samplern über FM bis hin zu einem Granular-Synth unterschiedliche Syntheseformen abdecken.
Nun bringt Sonicware eine Chiptunes-Groovebox mit FM-Synth, PSG-Engine und Sampler heraus, die Freunde des Genres direkt aufhorchen lassen dürfte: Denn der LIVEN MEGA Synthesis emuliert die Soundengine einer der erfolgreichsten Videokonsolen: SEGA Megadrive (bzw. Genesis). Wie gut das klingt, erfahrt ihr im Sonicware LIVEN Mega Synthesis Test.
Doch bevor wir in die Details gehen noch ein Disclaimer: Dieses Mal handelt es sich eher um einen Erfahrungsbericht. Denn da ich im Sounddesign-Team für diesen Synth sein durfte, kenne ich den Racker recht gut. Womöglich bin ich aber zu nah am Projekt dran um einen komplett objektiven Test zu liefern.
Auf einen Blick: Was ist der LIVEN MEGA Synthesis von Sonicware?
- Groovebox mit Emulation der SEGA Mega Drive Soundengine
- sechs Spuren mit 128-Step-Sequencer
- 512 Speicherplätze für Presets, 128 Patterns
- 3 FM Synths mit vier Operatoren
- zusätzliche Sample-Engine und 8-Bit PSG-Chip-Emulation
- ein Effekt pro Pattern mit zehn Algorithmen
- perfekt für Chiptunes aber auch gut für LoFi, Ambient und andere elektronische Musik
Liven MEGA Synthesis: Erster Eindruck
Der MEGA Synthesis kommt im ähnlichen Plastikgehäuse wie auch die anderen Liven-Varianten; inklusive identischer Taster, kleinen Potis mit angenehmem Drehwiderstand und optionalem Batteriebetrieb. Einen hochwertig verarbeiteten Eindruck hinterlassen die Vertreter der Serie nicht. Trotzdem kann ich ihnen aus der Praxis eine gewisse Robustheit attestieren, die man auch dem MEGA Synthesis bei einem Gewicht von knapp 750g nicht unbedingt zutraut.
Rein optisch sind die LIVEN-Modelle Geschmacksache. Aber im Gegensatz zu anderen schick durchdesignten Kisten, die bereits nach 133 Sekunden KO in der zweiten Runde gehen, überstanden die Liven-Modelle hier problemlos den ein oder anderen ungewollt harten Sparring.
Anschlüsse
Zur Studio-Integration besitzt der MEGA Synthesis ein MIDI Duo, Stereo-Line-Out, Sync, Stereo-Input, sowie einen Kopfhörer-Ausgang. Wie bei den anderen Modellen befinden sich alle Anschlüsse auf der Gehäuseoberseite. Besser wäre die Rückseite gewesen. Denn dadurch ragen die Anschlussstecker – abhängig vom Kabel – gefährlich weit nach oben heraus und warten nur darauf, durch einen unbeabsichtigten Stoß eine kalte Lötstelle zu hinterlassen. Hier empfehle ich direkt, gewinkelte MIDI- und Audiokabel mit einzuplanen. Fürs Netzteil habe ich noch keine gute Lösung gefunden.
Die drei FM-Synthesizer
Die ersten drei der insgesamt sechs Tracks sind dem Herzstück des Liven Mega Synthesis zugewiesen, dem YM2612 Soundchip. Oder besser gesagt, der Emulation des legendären FM-Chips, welcher unter anderem auch im SEGA Megadrive Verwendung fand. Dahinter verbirgt sich ein FM-Synthesizer mit vier Operatoren und acht unterschiedlichen Algoritghmen.
Die drei Tracks mit der FM Synthese können zwar unterschiedliche Presets laden, teilen sich aber die maximal sechsfache Polyphonie. Während zum Beispiel Track 1 einen vierstimmigen Chord-Sound spielt, verbleibt noch jeweils eine Stimme für die anderen beiden Tracks. Sechs Stimmen klingt auf den Blick etwas wenig, kann aber mit einer effektiven Planung recht gut durch die PSG-Engine oder Samples kompensiert werden.
FM Synth: Die Hüllkurven
Als Hüllkurven kommen hier ADSR-Hüllkurven zum Einsatz, die manch einer bereits von anderen FM Synths kennt. Anders als bei vielen subtraktiven Synthesizern gibt es hier zwei wesentliche Unterschiede:
- Je weiter man die Regler nach rechts dreht, umso kürzer werden die Zeiten
- Sustain hat neben dem fixen Level noch einen Rate-Parameter. Dieser legt fest wie lange es dauert, bis nach Ende der Decayphase und bei gehaltener Note der finale Sustain-Wert erreicht wird.
Alternativ zu den ADSR-Hüllkurven können pro Operator auch sogenannte SSG-Envelopes aktiviert werden. Hierbei handelt es sich um verschiedene Envelope-Grundkonfigurationen, die zum Teil geloopt werden. Über die ADSR-Regler nimmt man dann Einstellungen an den jeweiligen Segmenten vor. Die Ergebnisse reichen von atonalen Effektsounds mit extrem kurzen Loopzyklen bis hin zu polyrhythmischen Flächen.
Sonstiges
Zur weiteren Klangmanipulation lassen sich pro FM Sound noch zwei globale LFOs aktivieren, beide jeweils zur Clock synchronisierbar und mit unterschiedlichen Schwingungsformen.
Ein LFO davon ist fest der Lautstärke zugewiesen und kann für jeden Operator einzeln aktiviert werden. LFO Nummer zwei geht auf die Tonhöhe und beinflusst alle Operatoren gleichzeitig – gut für Tape-Emulationen oder leiernde Retroleads.
Mithilfe des Legacy-Modes kann man pro Track den Klang zusätzlich noch ein gutes Stück schmutziger werden lassen, etwa durch die Simulation des 9-bit DACs im FM-Synth oder durch Umschaltung auf 4 Bit-Wiedergabe der Samples.
PSG-Engine
Mit dem „Programmable Sound Generator (PSG)“ steht ein weiterer Klangerzeuger in den Spuren 4 und 5 zur Verfügung. Der PSG ist sehr einfach aufgebaut und bietet lediglich unterschiedliche Basis-Schwingungsformen, justierbare Attack-und Releasezeiten, sowie eine Höhenreduzierung im Legacy-Mode. Wie der FM-Synth auch, kann der PSG mono, legato, per Arpeggiator oder bis zu vierfach polyfon gespielt werden.
Der Sound der Schwingungsformen ist ganz klar LoFi und damit perfekt für die typischen Rechteck-Leads oder bitreduzierten Noise-Percussions geeignet. Hiermit lässt sich an der ein oder anderen Stelle auch die Polyfonie der anderen Sektionen entlasten, indem man etwa simple Leads, Snares oder Hihats mit dem PSG erzeugt.
Samples (und Sampler)
Als spannende Dreingabe gibt es noch einen charaktervollen 8-Bit-Mono-Sampler mit einer Samplerate von 12, 24 oder 48kHz. Je nach gewählter Auflösung beträgt die maximale Samplingzeit 2, 4 oder 8 Sekunden. Das klangliche Ergebnis ist herrlich LoFi und eine willkommene Ergänzung zur übrigen Soundengine.
Man hat die Wahl entweder ein langes Sample zu nutzen, oder sich per Autoslice ein kleines Kit aus sechs Abschnitten zu erstellen. Für eigene Samples gibt es insgesamt 96 Slots in 16 x 6 Bänken.
Der Clou dabei ist, dass man per Sample-Lock auch Sounds aus anderen Kits in einem Pattern nutzen kann. Dadurch umgeht man die Limitierung auf sechs Samples in einem Kit und muss nur noch auf die 3-fache Polyphonie der PCM-Spur achten.
Auch der Sample-Vorgang ist dank Auto-Start und Grid-Slice recht intuitiv gelöst. Die anschließende Normalisierung erfolgt automatisch. Nur der Sample-Transfer an einen Computer gestaltet sich durch das SysEx-Protokoll mitunter etwas langwierig.
Sequencer
Jede der sechs Spuren hat einen eigenen Sequencer mit bis zu 128 Steps, Motion-Recording / Parameter-Lock und der Möglichkeit, pro Spur unterschiedliche Subdivisions einzustellen. Dadurch sind auch sehr lange und abwechslungsreiche Pattern möglich. Wenn man möchte, kann man mit Live-Retrigger, Wahrscheinlichkeiten und Zufallsfunktionen noch mehr Abwechslung in die programmierten Pattern bringen.
Neben Step-Programming zeichnet der Sequencer auch in Echtzeit auf, quantisiert die Aufnahmen dann aber hart zum eingestellten Grid. Mit fein dosierbarem Swing kann man dem etwas entgegenwirken und trotzdem etwas Groove reinbringen.
Effekte des LIVEN MEGA Synthesis
Pro Pattern kann man einen von elf Effekten auswählen. Dieser Effekt kann jedem Track per Send hinzugefügt werden. Das ist ok, aber da es weder Einzelausgänge noch verschiedene Effekte gleichzeitig pro Spur gibt, kommt man sehr schnell an die Grenzen der weiteren Klangbearbeitung. Nutzt man etwa das Highpass-Filter um einzelne Spuren für den Mix auszudünnen, fehlt einem dann das Delay.
Die Effekte sind eher durchschnittlich und können nicht mit dem guten Shimmer-Reverb des LIVEN Texture-Lab mithalten. Als kreatives Sounddesign-Tool sind sie aber brauchbar. Neben den bereits erwähnten Delay und Filter (LP/HP/Isolator) gibt es noch Reverb, Distortion, Crusher und einen Remix-Performance-Effekt.
Welche Alternativen gibt es zum MEGA Synthesis?
Bei dem Namen und der Emulation des legendären YM2612 denkt mancher wohl sofort an den MEGAfm von Twisted Electrons. Dieser setzte in der MKI-Version originale YM2612 Chips ein, welche aufgrund von Knappheit bei der MEGAfm MKII-Version durch den YM3438 ersetzt wurde, den man auch in späteren SEGA-Megadrive-Konsolen findet.
Soviel zu den Gemeinsamkeiten. Denn beide Synthesizer klingen tatsächlich erstaunlich unterschiedlich – zumindest in der MEGAfm MKI-Version, die ich gut kenne und hier als Vergleich habe.
Um es kurz zu fassen: Der MEGAfm klingt noch einmal deutlich schmutziger, wirkt aber gleichzeitig durch die Verarbeitung und professionellen Anschlüsse etwas Studiotauglicher. Das liegt auch an der recht eigenwilligen VCA-Sektion des MEGAfm, die starke Artefakte und Overdrive hinzufügt, was man wiederum auch mögen muss.
In Genres gesprochen würde ich den MEGAfm für (Dub-) Techno, IDM und Ambient meistens dem MEGA Synthesis vorziehen. Wenn ich Chiptunes produziere, liegt der MEGA Synthesis bei mir vorne. Beide können sich aber auch ganz hervorragend ergänzen. Aber da sich die meisten so einen speziellen Chip-Sound wohl nur einmal ins Studio holen werden, hilft die Genre-Einteilung vielleicht als Indikator.
Sonicware LIVEN MEGA Synthesis Test: Fazit
Attraktiver Preis, FM-Synthese, LoFi-Sampling und Chiptunes-Charme: Der LIVEN Mega Synthesis bietet Freunden des Konsolensounds ein interessantes Komplettpaket. So könnte man nur mit einem Mega Synthesis ein komplettes Chiptune-Liveset bestreiten. Im Studioalltag abseits dieses Genres sehe ich den MEGA Synthesis aber in erster Linie als komplementäres Gerät für andere Klangnuancen.
Gewünscht hätte ich mir vor allem weitere Einzelausgänge um zumindest die Drumgruppen und PSG-Synthesizer separat mit Effekten zu bearbeiten. Aber das ist wohl – wie bei den anderen LIVEN-Modellen – dem Budget-freundlichen Konzept zum Opfer gefallen. Trotzdem eine runde Sache, die man mal ausprobieren sollte.