Reverb im Mix bei elektronischer Musik: Die größten Fehler
Wie bei anderen Genres sollte man auch in der elektronischen Musik beim Reverb im Mix einige Dinge beachten. Glücklicherweise ist hier der experimentelle Raum etwas größer, aber spätestens beim Abmischen können die folgenden Fehler nervige Konsequenzen haben.
Zu viel Hall
Am häufigsten passiert es wohl, dass ein Mix mit zu viel Hall zugemüllt wird. Nicht nur, dass der Produktion dabei viel Energie verloren geht, sondern alles in einem undefinierten Brei endet.
Und leider ist es oft ein gutes Anzeichen dafür, dass ihr zu lange und ohne Pausen abgemischt habt. In diesem Fall ermüdet das Gehör irgendwann und man neigt dazu, Feinheiten nicht mehr ausreichend wahrzunehmen. Eine Folge davon kann sein, dass ihr immer mehr Reverb hinzufügt, weil sich ein Gewöhnungseffekt einstellt.
Hier gibt es zwei einfache Stragien: Hört euch zum einen den Mix noch einmal mit ausgeruhten Ohren, am besten einen oder zwei Tage später noch einmal kritisch an. Achtet dabei auf den Reverb-Anteil. Wenn ihr hierbei merkt, dass ihr es mit dem Reverb übertrieben habt, fahrt in einem ersten Schritt den Reverb-Anteil radikal zurück. Anschließend fügt ihr sukzessive immer mehr Reverb hinzu, bis ihr kurz vor dem Kipppunkt steht, es könnte zu viel sein. Subtrahiert davon dann noch einmal rund 10% und hört den Mix für finale Anpassungen noch einmal gegen.
Zu lange Nachhallzeit
Ebenso können sich zu lange Nachhallzeiten (Time / Decay) negativ auf den Mix auswirken. Sobald sich dann auch noch mehrere Hallfahnen im Hintergrund addieren, wird der Gesamtmix wieder undefiniert und kraftlos. Das kann bis zu einem gewissen Anteil in Genres wie Ambient oder Drone-Music gewünscht sein. Aber auch hier gibt es einen schmalen Grat aus diffus-sphärischen Hallschichtungen und unprofessionellem Klangbrei, der einen Track nicht über eine längere Zeit trägt.
Zu bestimmen, welche Hallzeit optimal ist, empfehle ich, immer auch den Einsatz im Blick zu behalten. Grundsätzlich nutzt man Reverb, um dem Signal eine gewisse Räumlichkeit zu verpassen. Je länger der Nachhall, umso größer der Raum. Habt das im Blick, wenn ihr einzelne Spuren im Mix positionieren möchtet. Oft ist auch ein sehr dezent eingesetzter Raum mit minimaler Hallfahne optimal, um einem Staccato- oder Percussion-Sound eine subtile Dreidimensionalität zu verpassen.
Reverb im Mix nur als Inserteeffekt nutzen
Sicherlich kann man Reverbs genauso gut in Insert-Kanälen einsetzen. Hier muss man allerdings zwei Dinge beachten: Einerseits wird der Gesamtsound sehr schnell zu undefiniert, wenn man zu viele unterschiedliche Reverb-Einstellungen nutzt. Zumindest wird der Aufwand beim Mixing deutlich höher.
Andererseits geht dieses Vorgehen auch erheblich an die Performance, denn Reverbs sind in der Regel recht hungrige Ressourcenfresser. Und wer ausschließlich auf Hardware setzt, wird alleine schon aufgrund des finanziellen Aufwands nicht für jede Spur einen eigenen Reverb nutzen wollen.
Besser ist es, Sendwege anzulegen, in denen die Reverbeffekte liegen. Je nach Bedarf sollten es auch hier mehrere sein, denn der auslandende Kathedralenhall eurer Pads kann für eure Vocal-Abteilung unter Umständen Gift sein.
Es spricht natürlich nichts dagegen, hin und wieder einen Reverb als Insert zu nutzen, etwa wenn man ein Pad gezielt mit einem Shimmer-Verb nutzen möchte, oder nur auf der Snare ein Gated Room liegen soll. Achtet nur darauf, dass ihr einen guten Kompromiss eingeht. Das wird euch spätestens beim finalen Mix viel Arbeit ersparen.
Kein Low-Cut-Filter
Ihr habt diszipliniert gemischt, die Instrumente perfekt aufeinander abgestimmt und trotzdem klingt euer Mix noch matschig und undefiniert? Möglicherweise liegt das Übel in an der Effektabteilung.
Als erstes empfiehlt es sich, Effekte wie Delay und Reverb kurz auf Bypass zu stellen. Klingt der Mix dann immer noch schlecht, solltet ihr noch einmal die einzelnen Spuren auf Überlappungen der Frequenzen durchgehen. Wenn die Deaktivierung der Effekte aber dazu führt, dass der Mix plötzlich förmlich aufgeht, erzeugen eure Effekte sicherlich störende Frequenzen in den unteren Mitten oder im Bassbereich.
Probiert hier einmal einen Low Cut vor, und alternativ einmal hinter den Effekten aus. Manchmal klingt der Mix ohne Effekte zwar ausgewogen. Allerdings könnte durch den fehlenden Low Cut VOR dem Reverb auf einmal die kritische Tieffrequenzmasse überschritten werden. Probiert einfach mal aus, einen recht steil abfallenden Filter mit einer Eckfrequenz von 200-350 Hz vor dem Reverbeffekt einzusetzen.
Der Low Cut hinter dem Reverb sorgt wiederum dafür, dass der Raumeffekt von sich aus störende Frequenzen einspeist. Das könnte der Fall sein, wenn der Effekt selbst über einen EQ mit Bassanhebung verfügt oder schlicht tiefe Frequenzen erzeugt, wie es bei manchen Shimmer-Effekten der Fall ist. Auch hier empfehle ich den Einsatz eines steil abfallenden Filters, bei dem ihr euch ausgehend von einer Eckfrequenz von 300 Hz langsam der idealen Frequenz nähert.
Zu viel Höhen
Ebenfalls spätestens im Mixdown dürften sich dominante Höhen unangenehm bemerkbar machen. Nicht selten liegt die Ursache dafür auch in der Effektabteilung, etwa wenn ein Shimmer-Reverb ungezügelt das Eingangssignal mit Höhen anreichert. Zudem haben dominante Höhen gerne einen weiteren Effekt, unabhängig vom unangenehmen Klangbild.
Durch die Höhen wird auch die Raumortung maßgeblich mit beeinflusst. So wirken Signale mit stark ausgeprägten hohen Frequenz räumlich näher, während dumpfe Signale weiter entfernt wahrgenommen werden. Man kann das zwar hervorragend für den Mix nutzen, wie der Artikel Tiefenstaffelung im Mix zeigt. Allerdings wirkt eine Mischung mit zu dominanten Höhen bei den Reverbs schnell unnatürlich, kalt oder unausgewogen. Empfehlenswert ist daher, erst einmal einen Hi-Cut oder Hi-Shelf ab 3 kHz auf das Reverb zu legen und sich dann langsam an die ideale Frequenz heranzutasten.